Woher stammt Red Teaming und weshalb ist diese Methode für Unternehmen interessant?
Täglich treffen Sie eine Vielzahl von Entscheidungen: Manche sind weitreichend, andere eher unwichtig, einige sind risikobehaftet andere fallen nebenbei. Sie treffen Entscheidungen alleine, mit Ihrem Team, gern, ungern oder unter Druck. Und wahrscheinlich reflektieren Sie nur bei den wenigsten, auf Basis welcher Vorannahmen, Informationen oder Muster diese Entscheidung zustande kam. Hier kommt Red Teaming ins Spiel, denn diese Methode ermöglicht Entscheidungen bewusst und kritisch zu hinterfragen und die Entscheidungsqualität zu erhöhen.
Woher stammt Red Teaming
Red Teaming ist ein ursprünglich vom US Militär eingeführtes Verfahren zur Herbeiführung von besseren Entscheidungen. Hintergrund ist, dass damals in vielen Situationen, Entscheidungen, die getroffen wurden, nicht zum entsprechenden oder gewünschten Erfolg führten. Bestimmte Faktoren wurden nicht berücksichtigt oder bestimmte Informationen für nicht wahrscheinlich erachtet. In der Nachbereitung stellte man fest, dass mithilfe von zusätzlichen Informationen und entsprechend besserer Auswertung, die Erfolge besser hätten ausfallen können oder Niederlagen gar nicht hätten entstehen brauchen. Daraufhin hatte man dann auch im Hinblick auf terroristische Anschläge wie 9/11 die wichtige Anforderung, die geplanten Strategien, die entworfen wurden, zunächst zu hinterfragen und so dann tatsächlich auch die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Auf einer Seite steht das blaue Team, also diejenigen, die etwas verteidigen. Die gegnerische Seite, das rote Team oder auch die rote Zelle, versucht, Schwachstellen auszunutzen und anzugreifen. Das klingt im ersten Moment natürlich dem Ursprung entsprechend sehr militärisch, lässt sich aber auch auf Organisationen anderer Art übertragen.
Red Teaming im Business
Strategien, die ursprünglich zu militärischen Zwecken verwendet wurden, finden auch vielmals Anwendung im Business. Denken Sie hier zum Beispiel an Bücher wie „Die Kunst des Krieges“ von Sun Tzu, das schon vor vielen Jahren als Managementliteratur angesehen wurde. Ähnliche Bücher, die aus der militärischen Strategieplanung stammen, hat man später ebenfalls aufs Business übertragen. Das zeigt, dass militärisches Vorgehen und Denken auch auf den Geschäftsalltag übertragen werden können. Betrachtet man das Ganze ein bisschen bildlicher, dann gibt es viele Beispiele, die auch in der heutigen Wirtschaft mit einem Red Team Ansatz dazu geführt hätten, dass die Welt unter Umständen ein bisschen anders aussehen würde.
Einige Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit verdeutlichen das: Viele Menschen gingen auch zu Zeiten der Finanzkrise davon aus, dass eine so große Bank wie „Lehman Brothers“ niemals pleite geht. Heute sind wir schlauer, wir wissen, das kann doch passieren. Oder nehmen wir den damaligen Tech-Giganten Nokia. Der unangefochtene Marktführer in Sachen Mobiltelefone. Und auch, wenn man damals gut sehen konnte, dass Apple ein Smartphone entwickelte und auf den Markt bringen wollte, hat man sie doch eher belächelt. Denn was mochte denn jetzt ein Computerhersteller gegenüber einem weltweit agierenden Telefonspezialisten wohl auf den Markt bringen können? Auch heute sind wir schlauer und wissen es eigentlich besser. Diese Entscheidungen und Aussagen rühren in der Regel von Annahmen, die nicht hinterfragt worden sind.
Red Teaming für erfolgreiche Entscheidungen nutzen
Red Teaming ist ein Konzept, das bereits seit Jahrzehnten im militärischen Umfeld etabliert ist und auch in Unternehmen dafür genutzt werden kann, bessere Entscheidungen zu treffen. Ganz gleich, ob es um eine Reaktion auf Marktveränderungen, eine Reorganisation, die Prozessgestaltung oder auch die Organisationsentwicklung geht, die meisten Entscheidungen werden auf der Grundlage dessen getroffen, was die Gruppe nach Ansicht der Führungskraft wünscht, was die leitenden Angestellten vorschlagen und was jeder über die Organisation und das eigene Betriebsumfeld weiß. So wird der Plan entworfen, akzeptiert und dann später in die Praxis umgesetzt. Soweit, so gut. Was passiert: Es scheitert. Und genau hier kommt der Red Teaming Ansatz ins Spiel, der die eine Art geistiger Beweglichkeit fordert und fördert, um Probleme auch von verschiedenen Perspektiven sehen zu können, um eine bessere Einschätzung komplexer Situation zu bekommen und damit dann auch ein besseres Verständnis der verfügbaren Optionen, die man möglicherweise hat, finden zu können.
Was ist Red Teaming und wieso sollte jedes Unternehmen diesen Ansatz nutzen?
Stellen Sie sich vor, eine Führungskraft beruft ein Treffen der wichtigsten Mitarbeiter ein, um einen operativen Plan für das kommende Jahr zu entwickeln. Alle Personen arbeiten im selben Umfeld, haben eine ähnlich Ausbildung erhalten, meist mit hervorragendem Abschluss und tauschen gemeinsame Erfahrung in einem hierarchischen Rahmen aus. Der ganze Prozess scheint reibungslos zu verlaufen. Klar gibt es zwischendurch Meinungen, die diskutiert werden, aber am Ende steht ein Plan, der so auch verabschiedet wird.
Die meisten Entscheidungen werden auf der Grundlage dessen getroffen, was die Gruppe nach Ansicht der Führungskraft wünscht, was die leitenden Angestellten vorschlagen und was jeder über die Organisation und das eigene Betriebsumfeld weiß. So wird der Plan entworfen, akzeptiert und dann später in die Praxis umgesetzt. Soweit, so gut. Doch dann passiert es: Der Plan scheitert. Warum ist das so und was hätte man tun können, um die Erfolgschancen zu erhöhen?
Warum Pläne scheitern
Die Gruppe, die diesen Plan entworfen hat, hat möglicherweise falsch verstanden, was die Führungskraft oder der Geschäftsleiter eigentlich wollte. Oder, das was jeder dachte zu wissen, könnte falsch gewesen sein. Vielleicht hat man es auch so gemacht, wie man es eben immer gemacht hat. Was in der Vergangenheit gut funktioniert hat, kann ja nicht so schlecht gewesen sein. Doch betrachten wir zum Beispiel die Bedeutung des Zitats von Albert Einstein genauer, heißt das auch, dass wir immer neue Wege finden müssen, um in Zukunft erfolgreich zu sein.
„Was uns hierher gebracht hat, bringt uns nicht weiter“
Albert Einstein
Möglicherweise hat man bei der Planung auch mehrdeutige und komplexe Themen ignoriert und gedacht, dass sie vielleicht keine Rolle spielen. Vielleicht gab es sogar jemandem im Team, der ein Problem gesehen hat, aber aus Angst, herauszustechen vielleicht geschwiegen hat. Auch sich verändernde externe Faktoren wie die Handlung eines Konkurrenten könnten dazu geführt haben, dass der Plan scheitert.
Über die Jahre entwickelt jeder Mensch Verhaltens- und Denkmuster, die ihm dabei helfen, Ziele mit möglichst geringem Aufwand zu erreichen. Wir lernen schon sehr früh im Leben, das wir größeren Erfolg haben können, wenn wir mehr von dem machen, was unsere Freunde auch machen. Insbesondere funktioniert das, wenn wir ohne große Konfrontationen zusammenarbeiten. So führen viele Übereinstimmungen zu einem Kompromiss, doch das muss nicht unbedingt immer das Beste sein.
Wir versuchen, miteinander auszukommen, um Zeit und Energie zu sparen, entwickeln Abkürzungen und wenden Lösungen an, die wir aus der Vergangenheit kennen, als wir auf ähnliche Probleme gestoßen sind. Automatisch wenden wir die erprobten Lösungen auch auf die aktuelle Situation an, auch wenn die Antworten nicht zu 100 % passen. Wir gehen davon aus, dass wir mehr wissen, als wir tatsächlich wissen. Und wenn wir etwas nicht wissen, treffen wir Annahmen. Wenn wir zu viele Annahmen haben und diese nicht hinterfragen, dann kann es sein, dass wir die falsche Richtung laufen, ohne es zu merken.
Sehr häufig treffen wir auch viele kleine Entscheidungen, die individuell gesehen nah genug am Ziel sind, also ausreichend sind. Wenn wir diese aber alle zu einem großen Bild zusammenfügen, dann sind es genau diese vielen kleinen Abweichungen, die letztlich dazu führen, dass der gesamte Plan scheitert. Wir gehen dabei immer wieder dem Vertrauten nach und gehen davon aus, dass andere unsere Ansichten, Überzeugungen und Tendenzen teilen. Das Gute daran ist, dass man an dieser Stelle ansetzen kann und mit Hilfe von Red Teaming letzten Endes bessere Entscheidungen treffen kann.
Was genau ist Red Teaming?
Red Teaming ist ein flexibler und kognitiver Denk- und Planungsansatz, der speziell auf jede Organisation und jede Situation zugeschnitten ist. Es wird normalerweise von qualifizierten Praktikern durchgeführt, d.h. es gibt innerhalb einer Organisation ein spezielles Team, welches sich nur damit beschäftigt, genau bestimmte Themen in Frage zu stellen, und genau auf die Kleinigkeiten zu achten, die vielleicht vorher keiner gesehen hat.
Dazu gibt es eine ganze Reihe an strukturierten Tools und Techniken, um bessere Fragen zu stellen, explizite und implizite Annahmen in Frage zu stellen, Informationen aufzudecken und Alternativen zu entwickeln, die möglicherweise vorher gar nicht erkannt worden sind oder so gar nicht gesehen worden sind. Red Teaming fördert und fordert eine Art geistiger Beweglichkeit, um Probleme auch von verschiedenen Perspektiven sehen zu können, um eine bessere Einschätzung komplexer Situation zu bekommen und damit dann auch ein besseres Verständnis der verfügbaren Optionen, die man möglicherweise hat, finden zu können.
Der Ansatz ist, dabei keineswegs zu sagen, wir sind erst mal grundsätzlich dagegen, oder alles was wir bisher gemacht haben ist schlecht. Es geht um ein konträres Denken, ein Querdenken, aber nicht komplett dagegen. Es geht ausschließlich, darum zu schauen, welche anderen Möglichkeiten gibt es, welche Punkte wurden bisher gar nicht berücksichtigt und sind vielleicht die Annahmen, die wir getroffen haben doch nicht so valide, wie bisher gedacht.